Marktbericht Q2 2022
Das zweite Quartal 2022 war geprägt von einer Eskalation der Ukraine-Krise, die sowohl vielfältige Auswirkungen in Politik, Wirtschaft und an den Finanzmärkten als auch in der Zentralbankpolitik mit sich brachte. Die Ukraine-Krise ist und bleibt das beherrschende Thema für diese vier Sektoren.
Politisch zeigte sich im Verlauf eine zunehmende Teilung der Welt. Westlich orientierte Länder, (Nordamerika, Europa, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland) verstärkten das Sanktionsregime gegenüber Russland als Reaktion auf die russische Aggression gegenüber der Ukraine. Die restliche Welt (circa 85% der Weltbevölkerung), die nicht an Sanktionen teilnimmt, erfreut sich dank Versorgungssicherheit und Preisabschlägen bei Rohstoffimporten aus Russland verbesserter Wirtschafts- und Investitionsbedingungen, leidet aber gleichzeitig an globalen Konjunkturdynamikverlusten und Lieferengpässen. In der EU wird derzeit das siebte Sanktionspaket gegen Russland seitens der Ukraine eingefordert.
Die Weltwirtschaft war im 2. Quartal 2022 von Dynamikverlusten geprägt. Das gilt allen voran für Länder, die der westlichen Hemisphäre angehören. So senkte der Internationale Währungsfonds im April im World Economic Outlook die BIP-Prognose für die Weltwirtschaft per 2022 unter dem Titel „Der Krieg verlangsamt die Erholung“ von zuvor 4,4% (Januar 2022) auf 3,6%. Ein entscheidender Hintergrund für die negative Anpassung war und ist der erhöhte Preisdruck, der durch das westliche Sanktionsregime forciert wurde, der Kosten in der Weltwirtschaft erhöhte und der Investitionsunsicherheit begründete. Auch das Thema Versorgungssicherheit mit Energie und Rohstoffen belastete die Weltwirtschaft. Zusätzlich wirkte sich die rigorose Corona-Politik in China, die die ohnehin gegebenen Lieferkettenprobleme verschärfte, negativ aus.
Die Finanzmärkte reagierten im 2. Quartal 2022 in einer grundsätzlichen Betrachtung mit erhöhter Risikowahrnehmung auf die Dynamikverluste der Weltwirtschaft und die gleichzeitigen Kostensteigerungen durch Rohstoffpreise, Zinskosten sowie einer drohenden Preis-Lohnspirale. In der Folge sank der deutsche Aktienindex DAX von 14.529 Punkten am 4. April auf zuletzt unter 13.000 Punkte im Juni 2022.
Zinserhöhungen setzten im 2. Quartal verstärkt ein. Die US-Notenbank erhöhte im 2. Quartal den Leitzins von 0,25% - 0,50% auf derzeit 1,50% - 1,75% und kündigte weitere Zinsschritte an. Die EZB ließ verlauten, den Leitzins im Juli voraussichtlich von 0,00% auf 0,25% anzuheben. Auch hier stehen weitere Zinserhöhungen an.
Westeuropa bleibt Verlierer der Krise
Mangels autarker Rohstoffversorgung ist Europa von der Krise am stärksten betroffen. Ergo wirken sich die Themen Versorgungsunsicherheit und hohe Preisniveaus der Rohstoffe belastend aus. Aktuelle Einkaufsmanagerindices der Eurozone indizieren eine markante Abschwächung der Konjunkturlage. So sank der von Standard & Poors ermittelte Einkaufsmanager Index für die Gesamtwirtschaft (Composite Index) im Berichtsmonat Juni auf 51,9 Punkte (Vormonat 54,9). Das war der niedrigste Wert seit März 2021. Unter 50 Punkten impliziert der Index eine Kontraktion der Wirtschaft.
Die Preisinflation erklomm in der Eurozone mit 8,1% das höchste Niveau in der Historie der Eurozone und setzt Politik und Zentralbank unter Druck.
Innerhalb Europas ist Deutschland mit seiner stark auf Produktion und Export geprägten Wirtschaft ungleich schwerer betroffen als Länder wie Italien und Frankreich, die eine stärkere Binnenwirtschaft vorzuweisen haben.
Außerhalb der Eurozone bleibt die Ukraine der größte Verlierer innerhalb Europas. Sowohl Russlands Datensätze als auch BIP-Prognosen unterlagen dagegen positiven Anpassungen, jedoch von sehr niedrigen Niveaus ausgehend. So wurde die BIP-Prognose zuletzt von -9,2% auf -7,5% angepasst. Per Mai kam es zu einem signifikanten Rückgang des Anstiegs der Erzeugerpreise von circa 31% auf circa 19% im Jahresvergleich. Die erhöhten Rohstoffpreise führen zu unerwartet hohen Einnahmen. Der Rubel bewegt sich in der Folge gegenüber dem USD auf dem höchsten Niveau seit 2015.
USA: Konjunkturfissuren nehmen zu – Fed reagiert auf Inflation
Nachdem es im 1. Quartal 2022 unerwartet zu einer Kontraktion der Wirtschaftsleistung kam (-1,5% in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung) ergaben sich im 2. Quartal 2022 divergierende Signale. Laut dem Barometer der Federal Reserve Atlanta, die alle verfügbaren Daten des Quartals berücksichtigt, liegt die Prognose für das 2. Quartal 2022 bei 0,00% (Stand 17. Juni).
Anders als in Europa haben die Vereinigten Staaten Versorgungssicherheit. Die hohen Preise der Rohstoffe wirken sich analog zu Europa belastend aus. Die Verbraucherpreise legten zuletzt im Jahresvergleich um 8,6% zu. Das war der höchste Anstieg seit 1981.
In der US-Wirtschaft spielt Kredit eine größere Rolle als in Europa. So legte die Konsumverschuldung in den letzten beiden Berichtsmonaten markant um circa insgesamt 90 Mrd. USD zu (Durchschnitt zuvor circa 45 Mrd. USD für Zweimonatsperioden). Das Verbrauchervertrauen nach Lesart der Universität Michigan (vorläufiger Wert) sank per Juni 2022 auf den tiefsten Wert in der bis 1980 zurückreichenden Historie. Entsprechend ist das bremsende Potenzial von Zinserhöhungen auf die Konjunkturlage voraussichtlich erheblicher als in stärker vom Einkommen getriebenen Volkswirtschaften (Europa).
Der Chef der US-Notenbank spricht vor dem Hintergrund der verfügten und der angekündigten Zinserhöhungen von einer starken und widerstandsfähigen US-Konjunktur. Die Strukturdaten weisen Fissuren auf. Die Konjunkturdaten zeigten im 2. Quartal 2022 keine Einheitlichkeit.
Schwellenländer: Ein buntes Bild
Die Dynamikverluste der Weltwirtschaft wirkten und wirken sich in den Schwellenländern belastend aus. Die Schwellenländer nehmen weit überwiegend jedoch nicht am westlichen Sanktionsregime teil und schaffen damit ohne eigene Aktivität im relativen Vergleich zu westlichen Ländern verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen hinsichtlich Versorgungssicherheit und Preisniveau in der Rohstoffversorgung. Dennoch belasten die vom Westen verfügten Sanktionen bezüglich der Agrarrohstoffe Probleme allen voran bei ärmeren Ländern, insbesondere in Afrika.
Asien zeigt sich widerstandsfähig und profitiert aus der Konstellation. So steigt die Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmen in China weiter im zweistelligen Bereich. Auch sind diese Länder einem geringeren Inflationsdruck ausgesetzt. In China nahmen die Verbraucherpreise zuletzt um 2,1% im Jahresvergleich zu. Nach einer leichten Zinssenkung im 1. Quartal in China um 0,15% sind weitere Zinssenkungen möglich.
Gleichzeitig formiert sich die BRICS-Gruppe in Richtung Erweiterung und Emanzipation von dem vom Westen dominierten Wirtschafts- und Finanzsystem.
Märkte: Geopolitik bestimmte und bestimmt
Die Märkte bewegten sich fortgesetzt in der Taktung der Geopolitik, aber jetzt im Unterschied zum 1. Quartal zusätzlich in der Taktung der Inflationsentwicklung und der Zinspolitik. So verlor der japanische Yen stark ob der Verweigerung der Bank of Japan, das Thema Zinserhöhungen anzugehen.
Im 2. Quartal bestimmten Risikoaversion und Inflationsanstieg die Finanzmärkte. Während die Hauptwährungen Kaufkraft durch Inflation verloren, deflationierten die Risikoaktiva an den Märkten. Zusammengefasst ergaben sich global aus diesen beiden Konstellationen markante Wohlstandsverluste.
Fazit: Das zweite Quartal 2022 hat beachtliche Turbulenzen auf unterschiedlichsten Ebenen mit sich gebracht. Die regelbasierte Ordnung hat weiter Schaden genommen. Die regelbasierte Ordnung ist sowohl Grundlage des globalen Wirtschaftsverkehrs als auch der internationalen Politik. Das erodierte Vertrauen in das System hat strukturellen Schaden ausgelöst, der das Vertrauen in das System belastet. Die daraus mittel- und langfristigen Folgen werden nicht nur konjunkturell markant sein. Neue Strukturen werden sich in der Politik, der Finanz- und in der Realwirtschaft aus dieser Not heraus etablieren. Diese Veränderungen werden die Charakteristika einer multilateralen Ordnung sein, die zu Lasten der jetzt dominanten Ordnung gehen.
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